Freitag, 2. Dezember 2011

2 - von Regenwürmern, die Weihnachten feiern

Heute habe ich eine Geschichte für Euch, ein etwas anderes Weihnachtsmärchen.

2

„Guten Abend“ rief der Regenwurm Schönlang in die Schlafhöhle hinein. „Ich weiß, dass ihr schlafen wollt, aber heute ist Heiliger Abend, da hat man munter und fröhlich zu sein.“ „Weck uns auf, wenn es soweit ist“ murmelten ein paar Schönlangs und rollten sich wieder schlaftrunken zusammen. „Was ist das, Heiliger Abend?“ fragte Minilang. Er war der Kleinste der Schönlangs, immer hungrig, immer neugierig und gerne schlimm. „Der Heilige Abend ist der Geburtstag vom Sohn unseres Schöpfers. Er wurde in einem Stall zu Bethlehem geboren und darum wird dieser Abend oberhalb und unterhalb dieser Erde besonders gefeiert.“ „Können wir ihn besuchen?“ fragte Minilang nach. „So weit fliegen nur die Wildgänse“, entgegnete Schönlang. „Aber wir werden heute Abend einen Tropfen Rosentau auf sein Wohl trinken.“ Da machte Minilang drei Rollen vorwärts und wieder zurück vor Vorfreude und weil er gerade so fit war traute er sich zu fragen, „schlüpfst du mit mir in die Turnhöhle um ein bisschen zu trainieren?“ „Winde dich an Minilang, turnen ist an so einem Abend äußerst unüblich. Aber vielleicht nehme ich dich nach oben mit. Ich möchte sehen wie es Prinz Wundersam ergeht und ob er gewachsen ist. „Prinz Wundersam? wer ist denn das?“, fragte Minilang neugierig. „Das ist fast ein Geheimnis“, sagte Schönlang. „Seidenglatt und hellzartgrün liegt er in Eichenblätter gewickelt in unserer Dachhöhle und wird einmal ein Hirschkäfer werden. Hoffentlich haben ihm die Wuffers nicht erwischt. Das sind die drei Hunde, die wie wir in diesem Garten leben, oberhalb versteht sich. Diese Wuffers graben bis zu unseren Futterhöhlen hinunter und haben auch keine Angst vor unserem Erzfeind, dem Meister Samtfrack.“ „Au weia, weia ist das aufregend, los, los kriechen wir nach oben fiepte Minilang und schlug vor Aufregung sein Hinterteil hin und her.“ „Und was machst du, wenn uns Nurmi, der Tausendfüßler, begegnet, so rasch kannst du doch gar nicht reagieren“, sagte Schönlang. „ Er umfängt dich mit seinen vielen Beinen und verspeist dich langsam.“ Vielleicht ist ja am Heiligen Abend alles ein bisschen anders!“, entgegnete Minilang keck, bitte, bitte nimm mich mit nach oben.“ Und beide begaben sich auf den Weg so schnell sie konnten.
Da wurde es plötzlich finsterer, als es schon war und sie stießen an etwas an und konnten nicht weiter. „Ihr seid aber ganz schön leichtsinnig“, grummelte der Maulwurf Samtfrack. Er hatte ihnen den Weg versperrt und ließ sich nach rückwärts auf einen Erdklumpen fallen, um die beiden genau zu betrachten. „Um diese Zeit unterwegs? Seid ihr lebensmüde?“ „Guten Abend Samtfrack“, sagte Schönlang so höflich er konnte, „Ich mache meinen Weihnachtsbesuch bei Prinz Wundersam und unser Kleinster wollte unbedingt mit.“ „Keine Angst“, sagte Samtfrack, am Heiligen Abend wird gefastet, obwohl ihr beide sehr lecker ausseht, muss ich zugeben. Ich wollte auch gerade zu Prinz Wundersam. Er war mir über das Jahr zu vollkommen um ihn zu verspeisen.“ Er richtete sein Samtfell auf und hielt plötzlich inne. „Hört! Da kommt noch jemand. „ Ein ganzer Schub Erdkörner fiel in den Gang. Minilang kroch vor Angst unter das Samtfrackfell. „Wer ist es denn?“ flüsterte er ganz leise. „Das ist Nurmi, der Tausendfüßler“, sagte Samtfrack „unter normalen Umständen frisst er mir immer die besten Leckerbissen weg, aber heute?
„Meine Verehrung, hochgeschätzte Kollegen, wollt ihr am Heiligen Abend auch eine Schnupper-stunde in die Lichtwelt machen?“ sagte Nurmi, der Tausendfüßler und putzte zwei Dutzend seiner Beine sauber. Schönlang schoss das Blut in seine oberen Leibringe, ob der unerwarteten Höflichkeit seines Feindes. „Natürlich wollen wir das“, sagte er bestimmt. „Na dann los“, meinte Nurmi, ich bin der einzige, der sich in der Lichtwelt auskennt. Die Wuffers sind auch nicht im Garten, wir haben freie Fahrt.“
Und so erreichten die Vier, die Freunde für eine Nacht geworden waren, die Dachhöhle der Schönlangs. Diese lag im Komposthaufen unter der hohen Eiche und sie betrachteten staunend das seidige, zartgrüne Etwas, das da in Eichenblättern gewickelt vor ihnen lag. „In zwei Jahren fliegt Prinz Wundersam als Hirschkäfer in meiner Lichtwelt herum“, sagte Nurmi, der Tausendfüßler und nahm vor Rührung seine eleganteste Haltung an. Minutenlang regte sich keiner der Vier, verharrten voller Andacht und bestaunten das kleine Wunder in den Eichenblättern. „Kommt, es ist bald Mitternacht, unser Schöpfer will es so, dass wir um diese Zeit schlafen. Komm mein kleiner Schönlang, kriech auf meinen Rücken hinauf, dann machen wir eine Rutschpartie zurück in deine Dunkelwelt. „Und du Schönlang, kannst dich an meinem Fell festhalten“ sagte Samtfrack. Die beiden Schönlangs ließen sich das nicht zwei Mal sagen. Bergab ging es den durch die Gänge zurück Nachhause. Und als sie wieder in ihrer Schlafhöhle angekommen waren und einen Tropfen Rosentau getrunken hatte, weinte Minilang vor Freude einen so schönen Heiligen Abend erlebt zu haben. Er schleimte sich ganz eng bei Schönlang ein und träumte selig bis in den Frühling hinein.


Dieses Märchen und weitere, geschrieben & illustriert von meiner Mutter, sind erschienen im Novum Verlag.
Rezension:Nicht nur wir Menschen sind ein Teil der Schöpfung, sondern auch Regenwürmer, Ameisen und Fledermäuse etc. Das Gedankengut dieser Weihnachtsmärchen befasst sich mit diesem Thema und wie diese Figuren den Heiligen Abend erleben könnten.
Auf der zweiten Erzählebene 'Himmel` werden die lustigen Streiche des Weihnachtsteufelchens erzählt, die eine Fortsetzung im nächsten Märchenbuch 'Die Weihnachtswiese` finden.
Ein Kinder- und Jugendbuch und für Eltern und Großeltern, Onkeln und Tanten, die gerne vorlesen.
Das Märchen von Weihnachtsmorgen und andere Märchen bei Amazon
edit: während da schon einige am lesen waren, habe ich mich kurzerhand entschieden ein anderes Märchen aus dem Buch hier vorzustellen, war eine spontane Eingabe, sorry.

4 Kommentare:

  1. Ein wunderschönes Märchen!!! Liebe Grüße Yvonne

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  2. Liebe Betty,
    echte Bewunderung für deine Mama ... wer so schöne Worte und Inhalte auf Papier bringen kann.
    Bloggen bildet ... das Wort "Lebzelter" habe ich noch nie gehört.
    Liebe Grüße
    Jutta

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  3. Hallo Betty,

    eine sehr nette Geschichte, bin ganz gerührt.

    Grüße, auch an Deine Mutter und Euch allen einen gemütlichen 2. Advent, wünscht Pia

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  4. Was für ein süße liebes Weihnachtmärchen! Da muss ich mal meine Amazon Wunschliste erweitern...
    Oder wirs Du demnächst noch ein Märchen vortragen? Ich werde es den Jungs demnächst als Gute-Abendg-Geschichte vorlesen. Einen schönen zweiten Advent,
    Finuline

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